2012 überzeugte Regisseur Destin Daniel Cretton mit seinem Drama Short Term 12 die Kritiker und Brie Larson gewann einen Kritikerpreis nach den anderen; auch wenn ihr die großen Preise unverdienter Weise verwehrt blieben, was sich erst mit Raum einstellte. Mit Woody Harrelson und Naomi Watts namhaft besetzt drehen Cretton und Larson mit Schloss aus Glas nun ihren zweiten gemeinsamen Film und leider scheint sich Cretton – der auch das Drehbuch schrieb – an der Vorlage von Jeannette Walls leicht verhoben zu haben.

An den Schauspielern liegt es nicht, dass sich Schloss aus Glas unglaublich zäh und nichtssagend anfühlt: Woody Harrelson spielt gewohnt solide das Familienoberhaupt Rex, während Naomi Watts als Mutter Rose Mary mit künstlerischem Anspruch stellenweise zu dick aufträgt. Leider überspannen beide Figuren den Bogen des ertragbaren viel zu oft und Harrelson und Watts ergeben sich fast gerne in ihren zutiefst unsympathischen Rollen. Dass der Film Menschen mit bipolaren Störungen wahrscheinlich besser darstellt als z. B. Silver Linings stimmt zwar, ändert aber nichts an der Tatsache dass es einfach ätzend ist dem größten Teil des Geschen rund um die Familie Walls zu verfolgen.

Ein wirklicher Sympathieträger in diesem Strudel aus krankhaften Egoismus ist Ella Anderson die in der Rolle der jungen Jeannette Walls mehr als nur überzeugt und die als Erwachsene von Brie Larson verkörpert wird: Ebenso wie ihre Schwester Lorie (als Kind: Sadie Sink; als Erwachsene: Sarah Snook) wagt sie irgendwann den Ausbruch nachdem sie jahrelang den Versprechungen und Geschichten ihres Vaters vertraut hat. Man kann es also Larson nicht übel nehmen, dass ihre Jeannette die meiste Zeit über eine emotional unterkühlte Person ist und erst am Ende einen richtigen Gefühlsausbruch hinlegt. Im Vergleich spielt Anderson die junge Jeannette also etwas besser als Larson, was aber rein an den Begleitumständen liegt.

Technisch kann man dem Film auch keinen wirklichen Vorwurf machen: Kameramann Brett Pawlak zaubert wunderschöne Bilder hervor, auch wenn diese vielleicht das eine oder andere Mal einen Hauch zu kitschig daherkommen und nicht zum Ton des Films passen mögen. Das große Problem ist dass Destin Daniel Cretton keine Balance zwischen seinen beiden Zeitebenen findet und sich alles willkürlich anfühlt und gar nicht erst versucht ein Interesse an dem Schicksal der Familie zu erwecken. Das ist bedauerlich, denn da wäre sehr viel mehr möglich gewesen.

Fazit: Schloss aus Glas kommt zwar nicht an den meisterhaften Short Term 12 heran – denn dafür steht sich Regisseur und Drehbuchautor Destin Daniel Cretton viel zu oft selbst im Weg – weiß aber mit einer jungen Hauptdarstellerin in Person von Ella Anderson zu überzeugen und bietet zumindest einen interessanten Blick auf die Krankheit der bipolaren Störungen. Auch wenn dieser gerne etwas weniger kitschiger ausgefallen hätte können.